Montag, 25. Januar 2010

Spiegel-Ei

"Frau im Spiegel" ist tot, es lebe Kind im Spiegel:
Der Trend zur Spartenvertiefung und Unter-unter-unter-Differenzierung im Bereich der Printmedien setzt sich fort. Auch wenn die Kategorien andere geworden sind, die den Verlegern Interesse und Investition wert sind. Denn die sogenannten "Frauenzeitschriften" sterben aus (vielleicht auch deshalb, weil langsam, zäh, vorsichtig und behäbig nun auch im lahmen Deutschland endlich das ewiggestrige Frauenbild mit den alleinigen Interessen Kochen, Stricken, Trallala ein wenig aus der Mode kommt? Könnte unter Umständen, ganz vielleicht, ein winzig kleines bisschen damit zu tun haben, aber ist nur eine gewagte Theorie, wäre zu schön, um wahr zu sein) - und dafür kommt ein Jugend-Ableger nach dem nächsten auf den Markt. Irgendwie lustig angesichts der Tatsache, dass gerade für die Kids ein gedrucktes Medium meist wie etwas aus einem Fantasyfilm, einer anderen Welt und Zeit, anmutet; etwas aus der Rubrik "Was der Großvater noch wusste". Und auch angesichts der Tatsache, dass sich sonst jeder darum reißt, im Kampf um den Konsumenten, Wähler, Gesellschaftsbaustein oder Nutzer von morgen möglichst früh diesen mit vermeintlich "jungen" Medien zu binden. Jung heißt hier: Hauptsache digital, interaktiv, mobil, bunt und schnell. Gestandene Altherren-Fachleute ebensolchsimpeln per Online-Foren, Schulen basteln hanebüchene Homepages, Unterrichtsmaterial goes videospiel, Krankenkassen verschicken ihre Infos per CD-Rom mit kleinen Spielegimmicks, Politiker meinen, wenn sie sich an einem Chat beteiligen, haben sie ihre nächsten Erstwähler sicher. Der Printbereich schlägt nun einfach zurück: "Wir beweisen euch: Wer Harry Potter lesen kann, kann und will erstmal generell alles lesen! Er liebt Papier und ist schlauer!" Image ist alles, Durst ist nichts. Oder so.
Meist sind es (Natur-)"Wissenschaften", die zu Spin-Offs veranlassen. Nach dem Motto: Was Galileo kann, können wir auch, wir husten Internet und Fernsehen eins! Doch auch der altgediente und ein wenig um sein Image kämpfende SPIEGEL war der Meinung, nach dem x-ten Spezialheft und Sonderableger auch einen für Kinder nötig zu haben. Kinder sollen sich mal endlich für Politik und Wirtschaft interessieren! Also ehrlich! Hm. Das taten sie schon früher wenig. Jetzt haben sie es vielleicht nötiger denn je (angeblich liegt es ihnen näher denn je).

Ein Nachrichtenmagazin für Kinder, verständlich, aber anspruchsvoll? Ein ambitioniertes Projekt. Und der Nachfrage-Erfolg des Prototyp-Erstheftes, pünktlich zur Bundestagswahl im September 2009 auf den Markt, besser gesagt auf den Kiosk geworfen, gab den Machern recht. Der Effekt: Seit 2010 erscheint die Zeitschrift "Dein Spiegel" nun regelmäßig, und zwar monatlich. Satte 3,40 Eumel von ihrem Taschengeld sollen die Blagen dafür berappen - nun ja, das Elternhaus von Welt sponsert dies vielleicht; glücklich, dass der Spross sich nicht nur für "Deutschland sucht den Superflop", "Germany's Next Topnappel", die hundertste Variante dummer Online-Teenieflirtbörsen (knuddel, knuddel!) oder für janz janz jefährliche Egoshooter interessiert. Erwachsene Redakteure schreiben die Texte, aber als Reporter sind Kinder unterwegs. Kinder, das heißt hier natürlich: altkluge Streber, die vorinformiert werden und auch garantiert nicht mehr 6 Jahre alt sind ("Mama, was ist Politik?"), sondern älter.
Zielgruppe sind Acht- bis Zwölfjährige, manchmal ist gar von Neun- bis Zwölfjährigen die Rede. Ein eng gesteckter Rahmen, innerhalb dessen ein Verstehen komplexerer Themen und Texte schon möglich und das Ganze in Form eines "Kinderheftes" noch nicht zu uncool ist (jaja, die böse Pubertät). Ob sich das lohnt? Zumal man den Verdacht nicht los wird, es geht um die Eh-schon-Tollen (damit auf dem Elternabend angegeben werden kann: "Also mein Kind liest ja Spiegel!"), während diejenigen Kinder, welche keine höher gebildeten und vorzeigepädagogischen Erklärbär-Eltern haben und ihre Fragen zu Hause nicht beantwortet bekommen, also Bedarf hätten, ein wenig im Regen stehen bleiben; zumindest, wenn sie wirklich erst 8 Jahre alt und nicht naturschlau sind. Verständlichkeit ist eben subjektiv.

Wird sich zeigen, ob das Ganze eine treue Leserschaft findet - oder in der Bedeutungslosigkeit verschwindet. Wo es als Prestigeprojekt dennoch weitergehätschelt werden könnte, das würde der ollen Tante des investigativen Nachrichtenjournalismus' zur Ehre gereichen. Motto: Kinder sind heute zwar lieber dumm, aber an uns liegt's nicht!
Getreu der alten Fanta-4-Songzeile: "Sieh dich im Spiegel an und sag mir dann, was du siehst, wenn du siehst..." - oder auch (jede Generation, Emotion, Faszination, Hirnregion möge frei wählen) getreu Peter Maffay: "Wenn dein Spiegel bricht, keine Erde dich mehr hält, dann verlierst du dein Gesicht."
In diesem Sinne: Viel Spaß beim Lesen u.a. über Pharaonenmasken, diese für die Ewigkeit konservierten Gesichter von Kultur und Macht. Gebt euer Taschengeld (oder das eurer Kinder) mal für was Sinnvolles aus. Dann müsst ihr auch nicht meckern, Nachrichten seien immer so altbacken gemacht. Als kleine Schätze gab's schon 1-A-Ideen wie etwa ein Interview mit Guttenberg, in dem er den kindlichen Reportern so bahnbrechende Sachen sagt wie die, dass er niemals lügen würde, und dass das da in Afghanistan schon irgendwie Krieg sei, aber dann doch wieder nicht so richtig.

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