Donnerstag, 23. Dezember 2010

Kopftuchmädchen

Das Dienstleistungsgewerbe ist auch nicht mehr, was es mal war. Diplomatie und Feingefühl gehen anders. Aber Diplomatie und Feingefühl sind nicht lustig.

Die meisten Menschen gehen mit der Erwartungshaltung zum Friseur, sich hinterher besser und schöner zu fühlen. Diese Hoffnung hat Frau E. Feu längst aufgegeben. Deren Erwartungshaltung rangiert inzwischen vielmehr irgendwo zwischen Schadensminimierung, Gnade und Unterhaltung.

Munter, naiv, flott, unreflektiert, in fließendem Alltagsdeutsch und gnadenlos ehrlich plappert die mutmaßlich türkischstämmige Jungfriseurin drauflos: Ihre Cousine, die habe "auch so ein Problem, auch so ganz krass dünne und wenige Haare" (danke), aber "noch schlimmer!" (danke), die bekomme teilweise schon eine Glatze. Das sei aber für diese "sowieso noch viel schlimmer", denn: "Die ist erst 22! Die ist noch jung, wissen Sie? Wenn man noch jung ist, ist das echt scheiße. Weil, wenn man nicht mehr jung ist, also mehr so wie Sie, ist das ja eigentlich egal" (danke, danke, danke).
Eigentlich war das schon viel Pensum. Aber die Kundin lernt auch noch etwas über Integration, über Sarrazins irrige Ursachenannahmen zur Produktion gewisser Frauentypen und darüber, dass uses and gratifications nicht nur eine Herangehensweise an Mediennutzung, sondern an die Nutzung ganzer Kulturen sein können: "Das Praktische ist, die ist Muslima! Die hat jetzt einfach beschlossen, dass sie doch lieber ein Kopftuch tragen will."

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