..., so lautet der offizielle Berliner Karnevalsruf (von "Heiterkeit und Jokus", nein, das wirkt überhaupt nicht konstruiert). Ja, Tatsache: Sowas hat Berlin! Ganz ehrlich und vor allem ernsthaft! Kennt nur keiner; nichtmal der Berliner selbst. Und überhaupt: Karneval? Hier? Ick gloob, meen Schwein feift!
Zunächst mal heißt das hier
Fasching. Ebenso, wie das beliebte, fettigsüße Krapfenteiggebäck
Pfannkuchen heißt. Des Weiteren ist das Ganze hier was für Kinder (wohlverdient ham se sich's). Überdies kennt hier niemand Begriffe wie Fettdonnerstag oder Karnevalfreitag und nutzen tut diese Tage auch keiner: Die lieben Kleinen feiern am Rosenmontag sowie vor allem am nicht etwa Veilchen-, sondern
Faschingsdienstag, und wenn das vorbei ist, ist das auch nicht weiter schlimm. Ich entsinne mich an meine Grundschulzeit und diverse Faschings-"Nachfeiern" lange nach Aschermittwoch; denn mit Scheinheiligkeit, Bigotterie, Aberglaube und anderen christlichen und vorchristlichen Tugenden haben wir's hier seit der Moderne ebensowenig wie mit dem Grundgedanken, mal unter kirchenkalendarischem Deckmäntelchen eine streng festgelegte Zeit lang die Sau rauszulassen und hinterher von den Sünden nichts mehr zu wissen, geschweige denn, was aus ihnen zu lernen. Und dann, schlussendlich, lasse man doch bitte den Berlinern ihre hart erarbeitete und ebenso wohlverdiente Antihaltung inklusive amüsierzwangbefreiter, jeckenabstinenter Zone.
Doch wie das so ist: Die Besatzungsmächte drücken den Einheimischen rücksichtslos ihre Bräuche auf und bezwecken, sie - notfalls mit Gewaltanwendung - zu missionieren (oft kennen sie es nicht anders; schließlich haben die Ärmsten es zuvor meist selbst bitter so erfahren müssen). Die Gewalt kann hierbei auch psychischer Natur sein. Früher waren das die Schwaben, eine mittlerweile selbst aus der Region vertriebene Ethnie. Seit Jahren schon versuchen nun die hier stationierten Exil-Bonner und artverwandten Zugezogenen, in Berlin allen Ernstes(!) einen Karnevals-Festumzug zu etablieren (angeblich nehmen auch immer ein paar Menschen teil an dem traurigen Vorfall - mutmaßlich keine echten Berliner). Laut jelacht. Außerdem werden ein paar tatsächlich existente, lange und zu Recht völlig unbekannte Berliner Karnevals-"Traditionsvereine", die bisher aus einigen verwirrten, alten Männern bestanden, welche auf Uniformen, Vereinsmeierei, Satzungen und Tagesordnungen standen und sich ihr Biotop dafür erhielten, ins Rampenlicht geschubst, mit öffentlicher, militanter Brauchtumpflege und PR beauftragt sowie von den Besatzern gefördert. Aufgehen will die Rechnung jedoch nicht so recht.
Vielmehr wächst Widerstand, der dem an sich ja sehr offenen und toleranten, Minderheiten respektierenden und sich mit widrigsten Gegebenheiten immer wieder arrangierenden Berliner Geist schon durch echte Schmerzen entwachsen sein muss. Da ist dringend gegenzusteuern, ehe der Berliner sich vergisst oder aber intolerant wird! Sonst entsteht ein gefährliches, explosives Klima an Spree und Havel, und plötzlich wird gegen den Eindringling aufbegehrt! Denn die Angst vor kompletter Dominierung und
Überfremdung wächst. Es gibt ganze Wohnquartiere, in denen ungewohntes Stimmengewirr einer sich großkotzig aufführenden, die örtlichen Preise und damit Lebenshaltungskosten in die Höhe treibenden, alles Berlinerische verteufelnden und als pampig oder unkultiviert verhöhnenden, zugezogenen Minorität erklingt. Quartiere, in denen nichts mehr in der Heimatsprache beschriftet ist: "Bäckerbrötchen" liest man da statt
Schrippen, und statt der ekligen, aber liebgewonnen
Pfannkuchen bieten die derart fremddominierten Backwerkhändler zu Silvester und auch zu irgendwas, das sich irreführend "Karneval" nennt, sogar "Berliner" feil - der Eingeborene gruselt sich, denn er will keine Brüder und Schwestern essen. In der Kneipe soll es für die Barbaren "Kölsch" regnen statt
`ne Molle und dazu "Frikadelle" statt
Buletten sowie "Schnittchen" (welch Sexismus!) statt
Stullen. Hoffentlich keine Schnittchen mit Berlinern drauf. Dazu schreien neuerdings noch einige Rädelsführer "Alaaf!". Panik greift um sich. Das Bedrohungsgefühl schleicht sich in den berlinischen Alltag. Das ist nicht gut für den sozialen Frieden, die Mechanismen sind leider bekannt: Ein Tier, das sich bedroht fühlt, geht womöglich zu Angriffsverhalten über. Das kann enorme Kräfte freisetzen. Alles läuft auf die gute, alte (etwa so alt wie die Hauptstadtentscheidung mit Regierungssitz-Umzug) Parole hinaus:
"Ausländer rein, Rheinländer raus!" - Zumindest die, die kriminell sind (also zum Beispiel auffällig werden durch Diebstahl und Hehlerei von Identitäten; durch tusch- und wimpelbewaffnete Erpressung und Nötigung mit völkisch-abergläubischem Brauchtum; durch Anstiftung oder Beihilfe zum Schunkeln; durch Überfall auf die guten Sitten; durch Einbruch von Niveau; oder durch Gehirnvergewaltigung). Und die, die sich einfach nicht an unsere Kultur anpassen und sich nicht integrieren wollen. Und die gefährlichen Fundamentalisten unter ihnen. Die sollte man alle ausweisen, wieder nach Hause an den Rhein. Falls die solchermaßen in die Pampa geschickten, untragbar gewordenen Kolonialherren dort wegen ihrer Andersartigkeit - als mal im Ausland mit frei feiernden und frei denkenden, nein, überhaupt denkenden, Menschen in Kontakt Gewesene - politisch verfolgt sein sollten, könnte man sie zu ihrem Schutz, denn der Berliner ist ja kein Unmensch, auch in eine sichere Drittregion ausweisen. Zum Beispiel nach Bayern. Am besten zur Oktoberfest-Zeit direkt auf der Wies'n aussetzen.
Heijo!