Dienstag, 13. April 2010

Jaanich ma so stulle

Den Coup der vergangenen Woche landete unter den Berlin-Brandenburger Lokalmedien das aus dem Hause Axel Springer stammende Boulevardblatt B.Z. (für Nicht-Einheimische: nicht zu verwechseln mit der Berliner Zeitung - die stammt vom ostdeutschen "Berliner Verlag" und versucht seriösen Journalismus!). Eine ganze Ausgabe nur in Berliner Mundart ("De janze B.Z. heute uff Berlinisch"): Das war eine so amüsante wie originelle und unkonventionelle und überdies auch konsequent durchgehaltene (auch die Zitate waren in den Dialekt übersetzt, selbst in politischen Meldungen oder solche über Leben und Tod - man kann drüber streiten, wie pietätvoll das ist) Idee, dass sie ebenso gut von der taz hätte stammen können. Und dass die Zeitung fast überall vergriffen war – Gerüchten zufolge freut sich Ebay auf Versteigerungen, vielleicht reicht es aber auch, den nachbarlichen Papiermüll zu durchwühlen. Ja, ich gestehe: Auch ich habe sie am Donnerstag gesucht, gejagt, erstanden und gelesen!


Nich, dett de journalistischn Inhalte, Ansprüche oda Darstellungn uff Balinerüsch bessa jewordn wäan. Aber weenichstns war dit jute Stück schwera und anstrengnda zu lesen als sonz - lautet Voalesn empfahl sich und truch zu alljemeena Aheiterung bei. Watt habick jelacht. 'n Problem hatte icke bloß damit jehabt, dett se de Balina Jrammatik nich letztjültich durchjehaltn ham. Watt zu'n Beispiel bedeutet, überflüssich oft und schön falsch det Plusquampafekt zu benutzn (wie in meen' letztn Satz). Und nich nua den Jenitiv, sondan ooch jleich den Dativ zu vanichtn - bzw. wenn, dann bloß anne absurdeste Stelln einzusetzn, wo dea alladings nüscht zu suchen hat. Ick freu mir! Dafüa fandn spezifische Balina Ausdrücke Vawendung, etwa der Jebrauch von "stulle" als (nejativet) Adjektiv.

Offenbar hatte die Redaktion diesen Geniestreich strategisch geplant: Bereits Tage vorher war mir noch am Kiosk-Aushang der Titel aufgefallen, demzufolge "69 Prozent der Bundesbürger unseren Dialekt lieben" - das hat das renommierte Forsa-Institut für die B.Z. herausgefunden, soso. Und zwar bei ganzen 1.000 Befragten deutschlandweit, aus denen nun, wie der Onlineartikel zeigt, sehr detaillierte Ergebnisse herausgelesen werden wollen. Statistik ist und bleibt was Feines!

Klar, dass die Zielsetzung der berlinerten Ausgabe (die von drei Fachleuten "übersetzt" worden war) war, neue Leserschaften zu erschließen. Ob das gelingt, ist fraglich. Zumal die Zeitung falsche Schlüsse aus dem Erfolg der Aktion zog. Dort sagt man sich offenbar: "Also das Dialektding kam supi an, hmhm, na gut, wir halten alle bei der Stange - mit einer regelmäßigen berlinerten Kolumne! Und wenn wir noch die Leser um Titelvorschläge bitten, dann fühlt sich der Berliner sicher total repräsentiert!" Ist bei der B. Z. wohl niemandem aufgefallen, dass das nun absolut nicht originell, sondern im Gegenteil sogar recht weitverbreitet und irgendwie altbacken ist. Dass der Witz vielmehr in der Konsequenz lag, mit der er durchgezogen war. Und darin, dass er auch so schön von der mangelnden sonstigen Qualität der Zeitung ablenkte.

Dit waa ma jut jewesn mit den(!) Balinerüsch, aba jedn Tach broochick det nich. Und ihr? Habta schon Voaschläje anne BZ einjesendet oda watt?!

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