Mittwoch, 14. Januar 2015

Und sonst so? – Muss ja.

Kleinste gemeinsame Nenner sind wichtig; nicht nur in der Algebra, sondern auch im menschlichen Miteinander. Darum ist es (an alle Dr. Dr. Sheldon Coopers: nota bene!) gesellschaftlicher Konsens, wenn einem entweder sonst nichts einfällt oder aber alle anderen Themen vermintes Gebiet sind, dann über das Wetter zu reden.

In Deutschland hat sich bei diesem Reden das Motzen als grundlegender Ansatz etabliert. Welches Wetter das Werturteil "schön/gut" erhält und welches "eklig/schlecht", ist dabei ganz klar geregelt. Ungeschriebenes Gesetz: Sonne und Wärme supi, alles andere iiiihdoofblöd.
Niemand denkt dabei an die armen Allergiegeplagten, die im Frühling gar nicht solche große Freude haben, und an die hitzeempfindlichen Kreislaufschwachen, die den Sommer fürchten. Aber abgesehen von dieser Randnotiz lauert hier eine gesamtgesellschaftliche Falle: So wird das Smalltalken in der wärmeren Jahreszeit grundlegend erschwert! Denn wenn man nicht motzen kann, wozu dann ein Gespräch? Es sei denn, die Sprechenden einigen sich nonverbal, dass in diesem Ausnahmefall das Reden übers Wetter auch ohne Motzen statthaft ist, ehe man vereinsamt und mitten in der sonneseligen Supi-Zeit plötzlich vereinsamt und womöglich depressiv wird. Dann ist Loben möglich – aber sehr schnell aufgebraucht. Blumige Sprache erreicht beim Loben schneller ihre zeitgenössischen Grenzen als beim Motzen. Dann ist das Gespräch schnell zu Ende. In manchen Fällen hat das seine Vorteile.

So oder so: Freut euch des aktuellen Wetters! Nutzt es, um nach langer Zeit einmal wieder ausgiebig und sinnlos Kommunikation zu treiben! Wichtig: Sprecht dabei gegenüber dem neu entdeckten Wesen, diesem sogenannten Mitmenschen, unbedingt auch an, dass es ja nun wirklich lange genug kalt und bäh war und endlich, endlich, endlich wieder warm werden muss. Dass es erst Mitte Januar und dafür viel zu warm ist und dass bis auf eine Woche richtigen Frosts von "Winter" diesmal eigentlich keine Rede sein kann, dürft ihr keinesfalls erwähnen. Und zwar nicht nur gegenüber Klimakatastrophe-Befürchtenden und anderen vermeintlich viel zu Grünen. Sondern das ist ein schlimmer Verrat an gemeinsamen Werten. Und zwar ein schlimmerer, als sich zum Beispiel zusammenzurotten und irrwitzige "Ich habe nix gegen Ausländer und ich bin auch nicht rassistisch, aber"-Sätze zu sabbern. Muss deshalb auch unbedingt bekämpft werden, dieser Verrat. Statt "Je suis Charlie" mal "Je suis l'eté"!

2 Kommentare:

Es.pe hat gesagt…

Naja, beim Wetter gibt's ja wenigstens noch einige Kombinations- und damit Antwortmöglichkeiten. Verletzender ist für mich die geschlossene Frage Alles gut? bei der eine von genau 2 Antwortmöglichkeiten, die erhört werden, gleich in Fragestellung mitgeliefert werden. Es geht noch belangloser, nach unten und oben ist noch Luft ;/

Efeu hat gesagt…

Deshalb wird Wettergeplänkel, nein Kältegemotze, ja nicht als geschlossene Frage formuliert. Sonst funktioniert es ja nicht als Konversationsattrappe.

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